Im Rahmen des Öffentlichen Programms hielt José María Merino am 26. November 2012 eine Vorlesung an der Universität St.Gallen.
Der Literat und Jurist, der in den 80er-Jahren mit UNESCO-Projekten längere Zeiträume in Lateinamerika verbrachte, ist seit 2008 Mitglied der Real Academia Española de la Lengua (Institution, die für die Normierung der spanischen Sprache zuständig ist). Er nutzte seinen Aufenthalt in der Schweiz, um das akademisch-kreative Schaffen mit dem Persönlichen zu vereinbaren, denn in der zweiten Hälfte dieses Jahres war seine Tochter, Ana Merino, Gastdozentin in der School of Humanities and Social Sciences unserer Universität.
In seinem Referat sprach José María Merino über Selbstbezüglichkeit und Metafiktion in der Literatur. Auch wenn dieses Thema zur Zeit sehr en vogue ist, blickt dieser literarische Kunstgriff auf eine lange Geschichte in der spanischsprachigen Literatur zurück – schon Cervantes benutzte ihn oft.
In dem Teil, der der Lesung seines eigenen Werkes gewidmet war, bevorzugte unser Gast die Microerzählung – einem sehr verbreiteten Genre in Lateinamerika, das er sehr pflegt und das er eindringlicht verteidigte. In der Auswahl, die er vortrug, konnten wir feststellen, wie die alltägliche, beiläufige Anekdote nicht selten zum Stoff für die Fiktion wird. Seine kurzen Texte gewährten Einblick in das manchmal Humoristische, manchmal Beunruhigende von Merinos Werk, das oft als beides zugleich erscheint.