An dieser Tagung im Mai waren am Freitagabend um 18 Uhr geschätzte 160 Studierende anwesend, was für einen Anlass des CLS (mit Ausnahme des Leaders Forum von Februar 2015) einen neuen Rekord darstellt. Dieses grosse Interesse ist wohl in erster Linie auf die finale Keynote des Generaldirektors des IKRK, Dr. h.c. Yves Daccord, zurückzuführen.
Die Tagung knüpfte an die Forschungskooperation des interdisziplinären NODE „Transcultural Workspaces“ (bestehend aus rund 12 HSG ProfessorInnen unter der Leitung von Yvette Sánchez) mit dem IKRK an. Nachdem im NODE vier überregionale Forschungsthemen bearbeitet werden (Stakeholder Engagement, Vertrauensaufbau im Feld, Swissness und Mobilität der Delegierten), stand am CLS-Anlass erstmals ein regionaler Ansatz im Fokus. Eingeladen waren Referierende aus der Schweiz und Europa mit Lateinamerika-Expertise, VertreterInnen aus der Praxis und aus dem universitären Umfeld. An der Konferenz wurden die Herausforderungen behandelt, mit denen sich humanitäre HelferInnen konfrontiert sehen. Zunehmende Bedeutung kommt der Qualitätssicherung zu. Humanitäre Organisationen sind nicht nur rechenschaftspflichtig gegenüber den Betroffenen in Krisengebieten, sondern auch gegenüber Geldgebern privater und öffentlicher Seite. Rechtliche Grundlagen für humanitäre Interventionen definieren die Linderung von menschlichem Leid, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit als Grundlage und Prinzipien des Humanitarismus. Zudem werden seit 2014 Operative Kern-Standards festgelegt.
Der Anlass beleuchtete spezifische humanitäre Herausforderungen in Lateinamerika. Die zunehmend extremen Wetterereignisse in der Karibik werden oft nicht als humanitäres Problem wahrgenommen, weil die Veränderung graduell und nicht plötzlich auftritt. Dennoch stellen sie die Bevölkerung vor grosse Herausforderungen. Zu wenig Aufmerksamkeit wird den untererforschten Tropenkrankheiten, wie etwa Chagas, gezollt. Lateinamerika weist mehr Konflikte auf als andere Regionen. Vertreter von humanitären Organisationen diskutierten auch institutionelle Herausforderungen. Es gilt insbesondere, dem lokalen Kontext angepasste Lösungen zu finden und nicht etwa schweizerische Ideen unreflektiert auf Krisensituationen zu übertragen. Ausserdem sind gewisse moralische Dilemmata mit Interventionen behaftet: Nach welchen Kriterien soll entscheiden werden, wo interveniert wird und wie viele Ressourcen bereitgestellt werden? Zuletzt müssen humanitäre Organisationen auf technologische Veränderungen reagieren. Welches Potenzial und welche neuen Aufgaben stellen sich beispielsweise im Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung?