Café, Cacao y Vino

02.10.2020

Kaffee, Kakao und Wein nehmen bei der Gestaltung der Lebensgrundlagen und Landschaften in Lateinamerika eine komplexe und vielfältige Rolle ein. Alle drei Erzeugnisse sind in verschiedenen Ausmassen gewinnbringend angebaut worden.

Während eines intensiven Tages boten Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ihre Vision zu Kaffee, Kakao und Wein in Lateinamerika und Spanien dar, drei Produkte mit vielfältigen Bedeutungen und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen in einem grossen Teil der Länder der Region. Unter den gegenwärtigen Umständen war es ein grosses Privileg, auf die physische Anwesenheit der meisten Vortragenden an der Universität zählen zu dürfen; dennoch muss man auch berücksichtigen, dass die technischen Mittel uns die Teilnahme mehrerer Rednerinnen und Redner aus dem Ausland ermöglichten, etwa aus Salamanca (Prof. José Luis Sánchez), Ghana (Jens Soth) oder Paris (Pau Roca).
Wie Herr Philippe Nell in seiner spontanen und, wie immer, souveränen Zusammenfassung am Ende der Konferenz hervorhob, wurden verschiedene relevante Themen behandelt, z.B. Nachhaltigkeit, in ihrer Transversalität und Vielfältigkeit.

Dr. Susanne Miescher Schwenninger (ZHAW, Forschungsgruppe Lebensmittelbiotechnologie) erläuterte im Zusammenhang mit Kakao und aus der Sicht der Lebensmittel, wie verschiedene Schimmelpilze die Qualität von Kakaobohnen beeinflussen, und wie dieses Phänomen mit antimykotischen Mikrobenkulturen behandelt werden kann, ohne deren Qualität zu beeinträchtigen, obwohl die Erfahrungen im Labor aufgrund der vielen Faktoren, die die Kultur beeinflussen, manchmal schwer auf das Feld zu übertragen sind. Andererseits machen nachhaltige Kakaoplantagen zur Reduzierung der Folgen der Abholzung und Monokulturen, wie z. B. hybride Kakaoplantagen, die einen Urwald imitieren, den Einsatz von Pestiziden überflüssig, so Herr Jens Soth (Helvetas) aus Ghana. Aus der Perspektive der sozialen Nachhaltigkeit war das Publikum positiv überrascht über den Beitrag zu Choba Choba, der ersten Schweizer Schokoladenmarke, an der die Kakaobauern durch eine Beteiligung an ihrem Kapital Miteigentümer sind. Choba Choba importiert, nach den Worten eines Gründers, Christoph Inauen, die Bohnen aus Peru und unterstützt und befähigt die Bauern sowohl auf geschäftlicher als auch auf sozialer Ebene.

Ashraf Montoya Zegarra (Universität St. Gallen) konzentrierte sich in ihrem Referat über ihre Doktorarbeit ebenfalls auf soziale Nachhaltigkeit. Die Untersuchung von Entwicklungsprogrammen, die darauf abzielen, Alternativen zum Kakaoanbau anzubieten und diesen in eine nachhaltige Kakaoproduktion umzuwandeln, verfolgen das doppelte Ziel, den Opiatanbau in Peru zu beseitigen, und die Teilnahme und soziale Eingliederung der Kakaobauern und -bäuerinnen zu fördern.

Ein weiteres Thema der Referate war der wachsende Einfluss der neuen Technologien. Die Digitalisierung wird, laut Maxime Acien (algrano), als ein zentrales Element der Demokratisierung des Kaffeehandels dargestellt. Seine Plattform ermöglicht den Handel ohne Mittelmänner, direkt, nachhaltig und transparent zwischen Kaffeebauern und Röstern, zu fairen Preisen und gleichzeitig den Verbrauchern die Kontrolle über Herkunft und Qualität des gekauften Produkts zu garantieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind sich zunehmend bewusst, dass sie gute Informationen benötigen, um ihre Einkäufe zu steuern. Daher ist die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette von grundlegender Bedeutung für nachhaltigen Kaffee. Diese These bildet die Grundlage für die von Farmer Connect erstellte Anwendung. Dorothée Perlwitz erläuterte, wie der Einsatz der IBM Blockchain App die Lieferkette vom Kaffeebauern bis zum Endverbraucher sichtbar und nachvollziehbar macht. Diese Transparenz führt zur Schaffung eines Ökosystems, das vor allem den Kaffeeproduzenten, dem engagiertesten Teil der Kaffee-Wertschöpfungskette, zugutekommt.

Ein weiteres Beispiel für die Sensibilität im schwierigen Umfeld der der Produzenten zeigte der Vortrag von Stefan Leuthold (Turm Kaffee), Inhaber der ältesten Rösterei der Schweiz. Sein Unternehmen schlägt einen Gender-Ansatz für Nachhaltigkeit und Transparenz vor und unterstützt und fördert Frauen im Kaffeeanbau, da sich mit etwa 70 % an der Produktion beteiligen und systematisch weniger Zugang zu Ressourcen haben als Männer, in vielen Fällen, weil Ihnen die Anbaufläche nicht gehört. So können diese Frauen ihre wirtschaftliche Rentabilität verbessern, denn es besteht kein Zweifel, dass bei einem Produkt, dessen Herstellung zu 50 % aus den Körnern Südamerikas besteht (wie z. B. bei Illycafé) alle Anstrengungen zur Verbesserung der Anbaubedingungen von enormer Bedeutung sind. Vor allem, wenn es darum geht, einen qualitativ hochwertigen Kaffee herzustellen, dessen Geschmack auf Körper und Säure basiert, wie Illycafé Manager Riccardo Seitz erklärte.

Auch in der Welt des Weins ist das konstante Streben nach Qualität und Nachhaltigkeit kein Fremdwort. Die Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV) verfolgt dieses Ziel seit über zwei Jahrzehnten im Rahmen der SDGs der UNO. Ein charakteristischer Faktor bei der Herstellung und in der Wahrnehmung seitens der Verbraucher ist seine Herkunft. Pau Roca, Direktor der OIV, erklärte, dass die Herkunft eine zentrale Rolle im Marketing spiele, da es eine starke Verbindung zwischen Marke und Region gebe. Wein ist ein Produkt, das sich leicht transportieren lässt, daher ist es sehr wichtig, dass das geografische Herkunftsgebiet leicht zu erkennen ist. In diesem Sinne nahm die Rolle der Ursprungsbezeichnungen (Denominaciones de Origen) zur Erreichung des Ziels der Qualität und des Images der spanischen Weine eine grundlegende Bedeutung ein, wie Prof. José Luis Sánchez (Universität Salamanca) erläuterte. Dabei geht man vom theoretischen Rahmen der Konventionstheorie aus, welche die Bewertung verschiedener Attribute in der Wertschöpfungskette ermöglicht, die für das Verhalten eines Weins auf dem Markt entscheidend sind. Die Herkunft spielt eine wichtige Rolle, da sie mit Qualität und Reputation assoziiert wird. Im gleichen theoretischen Rahmen referierte Ana Esquinas (Universität St.Gallen) über das Beispiel der spanischen Weinregionen Ribera del Duero und Rueda in Castilla y León den Zusammenhang zwischen Qualität und Nachhaltigkeit im Wein: Kann ein Wein mit Bio- oder Nachhaltigkeitslabel den Qualitätsansprüchen der Konsumenten gerecht werden? Viele der derzeitigen Zertifizierungen sind problematisch, da sie mit einer Reihe bürokratischer Prozesse und Kosten verbunden sind und nicht unbedingt die Rendite erzielen, die sich die Winzer für eine solche Investition wünschen.

In der Wertschöpfungskette ist der Vertrieb eines Produkts wie im Falle von Wein der perfekte Zeuge für die Entwicklung und die Aussichten seines Konsums. So gab Pascal Seyffer (Casa del Vino) einen Überblick zur Gastronomie und dem privaten Konsum in der Schweiz. Seinen Angaben zufolge machen Frankreich, Italien und Spanien den Löwenanteil der Schweiz aus. An dritter Stelle steht der spanische Wein mit 15 %, davon macht Ribera del Duero die meistkonsumierte spanische Sorte aus. Als wichtig erachtete er die Veränderung der Trinkgewohnheiten in der Schweiz im Einklang mit anderen europäischen Gebieten, in denen man bereits einen Rückgang des Weinkonsums feststellen konnte. Auch der Konsum lateinamerikanischer Weine, insbesondere aus Argentinien und Chile, nehmen, laut Martin Schwarz (Martel), ebenfalls aus dem Vertriebssektor ab. Der Referent stellte fest, dass selbst wenn die Verbraucher die Weine aus diesen Gebieten sehr zu schätzen wissen, die Nachfrage in der Schweiz doch so stark zurückgegangen ist, dass insbesondere Chile nicht mehr im Vertriebsportfolio seiner Firma vertreten ist.

In der Welt des Weins gibt es die Tendenz, Länder, deren Weinproduktion später als in Europa erfolgt, als "Neue Welt" zu bezeichnen, mit einer eindeutig ethnozentrischen, aber auch unvermeidlichen Vision. In diesem Sinne hob Dr. Rainer den Einfluss der Globalisierung hervor, wenn es darum geht, eine Weinmarke für diese Länder zu fördern, am Beispiel der Schaffung der "höchstgelegenen Weinregion der Welt" in Salta, Argentinien, die sich dem Einfluss der global diktierten Produktionsformen, wie ein Wein "sein muss", nicht entziehen konnte. Chile ist ein weiteres Land, in dem der Weinsektor eine ausserordentliche wirtschaftliche, aber auch kulturelle Bedeutung hat. Viña Nahuel (was auf Mapuche "Jaguar" oder "Andenpuma" bedeutet) ist das Ergebnis der Leidenschaft eines Schweizer Winzers für dieses Produkt: ein Weinberg im Colchagua-Tal, wo nach ökologischen Methoden produziert wird, und dessen fest überzeugtes Ziel ist, diese Prinzipien auf den Weingeschmack zu übertragen. Der Einklang mit der Natur sei unabdingbar. Vielleicht wird sich diese Leidenschaft auch bei einigen Mitgliedern der Studentenvereinigung HSG Sapientia per Vinum einbetten, die ihren Mitgliedern ein Höchstmass an Wissen auf möglichst nachhaltige Weise zugänglich machen wollen, da Wein auch unter den Alumni der HSG in Form einer anderen Vereinigung von Weinliebhabern Kontinuität findet.

An die Präsentationen schlossen sich Diskussionsgruppen an, in denen die Gelegenheit bestand, die Meinungen und Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer weiterhin mit den Referierenden zu konfrontieren und sich gegenseitig auszutauschen, wodurch die hervorgehobenen Themen und Perspektiven weiter beleuchtet wurden.

Wir haben die grosse Beteiligung an diesem Event sehr geschätzt, wobei wir in der ungewöhnlichen Situation der Pandemie, viele Interessierte zur Online-Teilnahme auffordern mussten, da nicht genügend Platz im Vorlesungsaal zur Verfügung stand, um die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Unser herzlicher Dank gilt allen vor Ort oder via Streaming erschienenen Teilnehmenden sowie deren Geduld und Flexibilität. 

Präsentationen

Downloads

Fotos

Welcome to Café, Cacao y Vino at the University of St.Gallen
Yvette Sánchez welcoming to Café, Cacao y Vino
Susanne Miescher Schwenninger
Jens Soth, joining us from Ghana
the public at Café, Cacao y Vino
Christoph Inauen
Ashraf Montoya Zegarra
open debate with the speakers on cocoa
the transmitting device 'owl'
Maxime Acien
interaction between the public and the speakers
Dorothée Perlwitz
musical break ...
... musical break with La Nefera
Stefan Leuthold
Riccardo Seitz
open debate with the speakers on coffee
Pau Roca joining us from Paris
José Luis Sánchez joining us from Salamanca
Ana Esquinas Rychen
Pascal Seyffer
the public at Café, Cacao y Vino
Gerhard Rainer
Werner Wiederkehr
Martin Schwarz
Simone Imthurn and Marius Kunderer
open debate with the speakers on wine
Philippe Nell
thank you and goodbye
north